Polen, Ungarn und Tschechien haben mit ihrer Weigerung, Asylbewerber nach der Flüchtlingskrise 2015 aufzunehmen, gegen europäisches Recht verstoßen. Die Mitgliedsstaaten könnten ihr Nein zur Flüchtlingsaufnahme weder mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung noch mit dem „Nichtfunktionieren“ des Umsiedlungsmechanismus begründen, urteile der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg. Der Streit um die Flüchtlingsumverteilung hatte die europäische Asylpolitik jahrelang mitgeprägt.
1. Ungarn und Polen nahmen gar keine Flüchtlinge auf
2. Ein Urteil ohne Konsequenzen
3. Neues EU-Asylrecht soll nach Ostern vorgestellt werden
Ungarn und Polen nahmen gar keine Flüchtlinge auf
Nach den Beschlüssen der EU-Innenminister im September 2015 stellte Tschechien zunächst die Aufnahme von 50 Flüchtlingen in Aussicht, nahm später jedoch nur zwölf Geflüchtete auf. In Warschau gab man an, 100 Personen nach Polen umsiedeln zu wollen, nahm am Ende aber niemanden auf. Ungarn beteiligte sich gar nicht erst am Umsiedlungsmechanismus. Noch Ende 2015 versuchten Ungarn und die Slowakei vielmehr, gerichtlich gegen die neuen Verpflichtungen vorzugehen, scheiterten mit ihrem Antrag aber vor dem EuGH. Im September 2017 entschieden die Richter schließlich, dass der Verteilungsmechanismus rechtens sei. Trotzdem erfüllten die beklagten drei Länder ihre Verpflichtungen daraus nicht. Wenige Monate später strengte die EU-Kommission daher eine Vertragsverletzungsklage an.
In seinem Urteil (siehe dazu auch Info-Box) stellte das höchste EU-Gericht heute klar, dass sich die drei Staaten nicht hätten weigern dürfen, die beschlossene Umverteilung umzusetzen. Eine Geldbuße bekommen die Staaten aber vorerst nicht. Dafür muss die EU-Kommission erneut vor dem EuGH klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Auch für Schutzsuchende bringt das Urteil keine Vorteile, denn eine unmittelbare Verpflichtung für eine Aufnahme beinhaltet es nicht. Und die 2015 gefassten Beschlüsse sind inzwischen wieder außer Kraft.
Ein Urteil ohne Konsequenzen
Urteil |
---|
Das vollständige Urteil des Europäischen Gerichtshofs können Sie mit einem Klick auf "mehr dazu" einsehen. |
Neues EU-Asylrecht soll nach Ostern vorgestellt werden
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte hingegen das Urteil. Zwar beziehe es sich „auf die Vergangenheit, aber es wird uns Anleitung für die Zukunft geben“. Von der Leyen will nach Ostern ihre Pläne für eine Reform des EU-Asylrechts vorstellen. Die Entscheidung des Gerichts sei in Hinsicht „auf die Verantwortung der Mitgliedsstatten sehr deutlich“, sagte von der Leyen. Ob somit eine allgemeine Aufnahmeverpflichtung für Flüchtlinge in die neuen Regeln geschrieben werden soll, ist aber unklar.
Das Bundesinnenministerium hat in Brüssel mehrfach dafür geworben, im künftigen EU-Asylrecht Flüchtlinge zwar direkt nach einer Quote auf alle Mitgliedsstaaten zu verteilen. Dies allerdings unter der Maßgabe, dass unerlaubte Wanderung innerhalb der EU unterbunden wird. Zudem sollen Migranten mit niedriger Anerkennungschance bereits an den Außengrenzen ein vollständiges Asylverfahren durchlaufen und nach einer Ablehnung direkt in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Sollte die Kommission allerdings einen Vorschlag vorlegen, der nur eine verpflichtende Verteilung vorsieht, dürfte der Plan zum Scheitern verurteilt sein. Viele Staaten würden sich einfach nicht daran halten und wohl straffrei ausgehen – wie das heutige Beispiel von Ungarn, Polen und Tschechien gezeigt hat.