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Diesel-Skandal: Volkswagen will Schadenersatz von Winterkorn und Stadler

Mehr als fünf Jahre nach der Aufdeckung des Dieselskandals verlangt der Volkswagen-Konzern von seinem früheren Chef Martin Winterkorn sowie von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler Schadenersatz. Dies teilte das Wolfsburger Unternehmen am Freitag nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit. VW erklärte, man werde die beiden ehemaligen Top-Manager „wegen aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtverletzungen auf Schadenersatz in Anspruch nehmen“. Damit wolle man gleichzeitig einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des Skandals ziehen. Welches Ausmaß die finanziellen Forderungen gegen Winterkorn und Stadler haben werden, stand zunächst nicht fest. Im Fall anderer VW-Vorstandsmitglieder habe man hingegen keine Verstöße festgestellt, so der Konzern.

Management- und Kontrollfehler machten Skandal möglich

INFO-BOX:
Martin Winterkorn
Martin Winterkorn wurde 1947 in Leonberg bei Stuttgart geboren. 1966 begann er ein Studium der Metallphysik und Metallkunde an der Universität Stuttgart. 1977 promovierte er am Max-Planck-Institut für Metallforschung zum Dr. rer. nat. Nach Tätigkeiten im Forschungsbereich bei der Robert Bosch GmbH und in der Qualitäts-sicherung bei Audi wechselte er 1993 zu VW. Seit 2007 hatte er den Vorstandsvorsitz der Volkswagen AG und den Aufsichtsratsvorsitz der Audi AG inne. Zudem war er von 2009 bis 2015 Vorstandsvorsitzender der Porsche Automobil Holding SE.
Zuvor hatten die Kontrolleure die Ergebnisse umfangreicher Prüfungen in der Regressfrage diskutiert. Gegenstand der Untersuchungen war, ob Winterkorn, Stadler und möglicherweise weiteren damaligen Führungskräfte vor dem Auffliegen der Affäre im September 2015 fahrlässige Management- und Kontrollversäumnisse vorzuwerfen seien. Diese könnten letztlich die Abgas-Manipulationen an Millionen Dieselfahrzeugen weltweit erst möglich oder zumindest nicht verhindert haben. Die Kanzlei Gleiss Lutz beriet den VW-Aufsichtsrat in dieser Sache und legte in dieser Woche hierzu ihren Abschlussbericht vor. Dafür hatten die Juristen 65 Petabyte an Daten und mehr als 480 Millionen Dokumente gesichert. Zudem wurden über 1.550 Interviews und Vernehmungen geführt.

Demnach stehe nach Überzeugung des Aufsichtsrats fest, dass es Winterkorn in der Zeit ab dem 27. Juli 2015 unterlassen habe, die Hintergründe des Einsatzes unzulässiger Softwarefunktionen in 2,0 Liter-TDI-Dieselmotoren unverzüglich und umfassend aufzuklären, die zwischen 2009 und 2015 in Nordamerika verkauft wurden. Außerdem habe es der ehemaligen Top-Manager unterlassen, die in diesem Zusammenhang von den US-Behörden gestellten Fragen umgehend wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.

Zum Fall Stadlers erklärte Volkswagen, dieser habe es ab 2016 unterlassen, dafür zu sorgen, dass von Audi entwickelte größere Dieselmotoren „im Hinblick auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht werden“. Diese waren auch in Fahrzeuge der Marken VW und Porsche eingebaut worden. Bei den Töchtern Audi und Porsche wolle man zudem Schadenersatzforderungen gegen die Ex-Manager Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz geltend machen. Beim früheren VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer sei dies bereits geschehen. Winterkorn ließ über seine Anwälte nach Bekanntwerden der Schadenersatzforderung gegen ihn mitteilen, er bedauere die Entscheidung des Aufsichtsrats. Er betonte, „alles Erforderliche getan und nichts unterlassen zu haben, was dazu geführt hätte, den entstandenen Schaden zu vermeiden oder geringer zu halten“. Stadler wollte zur Schadenersatzforderung seines früheren Arbeitgebers keine Stellung nehmen.

Winterkorn und Stadler müssen vor Gericht

Winterkorn war vor gut fünfeinhalb Jahren von seinem Amt als VW-Chef zurückgetreten. Kurz zuvor hatten US-Behörden und Wissenschaftler den Abgasskandal aufgedeckt. Neben den jetzt erhobenen Schadenersatzforderungen muss sich der 73-Jährige in dieser Sache auch vor Gericht verantworten. Mitte September soll in Braunschweig gegen ihn und vier weitere, teils ehemalige Führungskräfte der Prozess wegen mutmaßlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs beginnen. Die Hauptverhandlung sollte eigentlich bereits im April beginnen, musste jedoch wegen der aktuellen Corona-Lage verschoben werden. Stadler muss sich indes bereits wegen einer möglichen Mitverantwortung bei den manipulierten Abgaswerten vor dem Münchner Landgericht verantworten.