Die europäischen Gaskunden hoffen nach Monaten der Energiekrise von dieser Woche an auf zusätzliche Energielieferungen aus Russland. Vor knapp zwei Wochen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin unter dem Druck steigender Preise und schlecht gefüllter Speicher den staatlichen Gasriesen Gazprom angewiesen, die Reserven in Deutschland und Österreich aufzufüllen. Zuerst sollten noch die heimischen Vorräte versorgt werden. Nun will Gazprom aber auch die Ventile für Europa weiter aufdrehen.
Putin als „Retter in der Gasnot“
Gazprom |
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"Gazprom" ist die Abkürzung für Gasindustrie und war früher der Geschäftsbereich Gasförder- und Gastransportindustrie des Ministeriums für Erdöl- und Gaswirtschaft der UdSSR. 1989 wurde die Behörde im Zuge der Perestrojka in den russischen Staatskonzern Gazprom umgewandelt. Seit 1992 ist dieser eine Aktiengesellschaft. Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförder-unternehmen und mit rund 475.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber Russlands. Der Sitz des Unternehmens befindet sich in Moskau. |
Russland wehrt sich indes weiter gegen europäische Vorwürfe, das Land treibe durch das Zurückhalten von Gas die Preise in die Höhe. Als Russlands wichtigste Frau im Gasexport wies Jelena Burmistrowa eine Verantwortung für die Energiekrise gerade erst wieder auf internationaler Bühne entschieden zurück. Wer derartige „Spekulationen über böswillige Handlungen Gazproms“ aufstelle, sei weit weg von der Realität, sagte die Chefin von Gazprom-Export auf einer Konferenz in Amsterdam.
Stattdessen wies Russland erneut darauf hin, dass es eine weltweite Gaskrise gebe. Die Gründe lägen im Wiederhochfahren der Wirtschaft nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Vor allem in Asien gebe es großen Energiehunger. Nicht zuletzt hätten die USA zusätzliches Flüssiggas lieber dorthin und nicht nach Europa geliefert, so Burmistrowa. Präsident Putin hatte den Europäern vorgeworfen, sie hätten es nach einem kalten Winter versäumt, ihre Gasspeicher ordentlich zu füllen. Erschwerend kam wegen einer Windflaute in der Nordsee hinzu, dass die dortigen Windkrafträder weniger Strom produzierten. So musste mehr Gas verstromt werden, was die Speichervorräte zusätzlich schmälerte.
Putin drängt auf Inbetriebnahme von Nord Stream 2
Russland sah sich in Deutschland und anderen EU-Staaten politischen Vorwürfen ausgesetzt, es halte Lieferungen knapp, um so reine schnelle Inbetriebnahme der fertigen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zu erwirken. Einen Starttermin gibt es wegen fehlender Genehmigungen bisher noch nicht. Der Kreml erklärte, die Pipeline könnte die aktuelle Lage entspannen. Unabhängig davon werde man aber alle vereinbarten Mengen liefern. Angesichts der Gaskrise hätte man sogar schon mehr geliefert als vereinbart. Allein der Export nach Deutschland sei in den ersten neuneinhalb Monaten dieses Jahres um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen.
Burmistrowa erklärte in Amsterdam zudem, dass Russland gar kein Interesse an extrem hohen Gaspreisen habe. Solche „Rekordpreise“ könnten den Übergang hin zu den erneuerbaren Energien in der EU beschleunigen. Das auf Petrodollars angewiesene Land will mit seinen fossilen Brennstoffen aber noch lange in Europa Geld für seinen Staatshaushalt verdienen. Deutschland ist in der EU der größte Gazprom-Kunde. Rund 46 Milliarden Kubikmeter Gas kamen 2020 aus Russland, rund ein Drittel des gesamten Verbrauchs in der Bundesrepublik.