Der britische öffentliche Sender BBC bangt erneut um seine Zukunft. Die britische Regierung plant, die staatlichen Subventionen der BBC für zwei Jahre einzufrieren und anschließend das Modell der Gebührenfinanzierung komplett abzuschaffen. Die Opposition in London reagierte empört. Premierminister Boris Johnson wolle mit dem Vorhaben nur von seinen Verfehlungen in der „Partygare“-Affäre um Lockdown-Partys im Regierungssitz ablenken, hieß es aus der Labour-Partei.
Statt Gebühren Abo-Modell wie bei Streamingdiensten
Labour-Expertin Lucy Powell warf der Regierung am Montag „Kulturvandalismus“ vor. Dies sei nichts weiter als Teil einer Ablenkungsstrategie, um „allen außer sich selbst die Schuld zu geben“, sagte Powell dem Sender Talk Radio. Kulturministerin Nadine Dorries hatte am Sonntag angekündigt, die Gebührenfinanzierung 2027 abzuschaffen. Dieser Schritt soll der verstärkten Bedeutung von Streamingdiensten wie Netflix Rechnung tragen. Allerdings sind die Beitragszahlungen vielen Konservativen schon seit langem ein Dorn im Auge. Schon vor zwei Jahren hatte Johnson angekündigt, das Gebührensystem überarbeiten zu wollen. Zuletzt gab es bereits indirekte Hinweise auf Johnsons Plan, die Gebühren abzuschaffen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf ein Abo-Modell wie bei einem Streamingdienst umzustellen. So würde er faktisch in ein privatwirtschaftliches Unternehmen umgewandelt.
Inflation von mindestens sechs Prozent erwartet
British Broadcasting Corporation (BBC) |
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Die British Broadcasting Company Ltd. wurde am 18. Oktober 1922 in London von britischen und amerikanischen Elektrogeräteherstellern zur gemeinsamen Absatzsteigerung von Rundfunkgeräten durch Angebot eines Rundfunkprogramms gegründet. 1927 wurde sie in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt. |
Die BBC gilt seit Jahrzehnten als „soft power“, der britische Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit in alle Ecken der Welt transportiert. Dies sehen Medienexperten von den Regierungsplänen bedroht. Auch im Sender selbst ist der Ärger offenbar gewaltig, sah man sich zuletzt dank eines umfassenden Sparprogramms wieder auf Kurs. Die Ministerin beschädige die BBC enorm, berichtete der „Guardian“ unter Berufung auf Senderquellen. Das Vorhaben gefährde nicht nur beliebte Fernsehserien und Dokumentationen, sondern auch den internationalen Dienst. Dennoch kann die Verantwortlichen das Vorgehen der Kulturministerin nicht überraschen. Schon zuvor hatte sie nach Angaben von Vertrauten laut der „Daily Mail“ angekündigt: „Mit der BBC ist es vorbei, solange ich in diesem Job bin“.
Konservative kritisieren Brexit-Berichterstattung
Premier Boris Johnson steht seit Wochen unter enormem Druck. Dutzende Beschäftigte sollen in seinem Amtssitz während der Corona-Pandemie mehrere Lockdown-Partys gefeiert haben. Der Regierungschef bestritt persönliche Fehler. Die Opposition, aber auch Mitglieder aus Johnsons eigener Partei, forderten daher seinen Rücktritt. Der Schlag gegen die BBC gilt nun vielen als ein Pfeiler seiner Strategie, sich zu befreien und seine konservative Partei wieder hinter sich zu vereinen. Weitere populistische Themen sind ein Ende der Corona-Regeln in England sowie ein schärferes Vorgehen gegen Migranten. Schon seit langem wird die Berichterstattung der BBC von konservativen Parteien in Großbritannien kritisiert. Besonders hinsichtlich des Brexit, einem zentralen Baustein der Johnson-Regierung, bemängeln Befürworter des Ausstiegs aus der Europäischen Union die Beiträge des Senders als überkritisch. Ein konservativer Angeordneter wertete überdies die Berichterstattung über die Lockdown-Partys in Downing Street als „Putschversuch“ gegen den Premier.