home Gesundheit, Politik Corona-Maßnahmen: Deutscher Ethikrat kritisiert Pandemie-Management

Corona-Maßnahmen: Deutscher Ethikrat kritisiert Pandemie-Management

Der Deutsche Ethikrat hat Fehler und Missstände bei der Bewältigung der Corona-Pandemie in Deutschland benannt. So seien zahlreiche Institutionen wie Gesundheitsämter und Schulen nur unzureichend auf die Krise vorbereitet gewesen. Insbesondere vulnerable Gruppen wie Pflegebedürftige hätten zudem keinen ausreichenden Schutz erhalten, heißt es in einer am Montag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme des Expertengremiums.

Junge Menschen leiden besonders unter Maßnahmen

INFO-BOX:
Deutscher Ethikrat
Der Deutsche Ethikrat ist der Nachfolger des Nationalen Ethikrats (2001-2008) und konstituierte sich am 11. April 2008. Seine 26 Mitglieder werden hälftig von der Bundesregierung und vom Bundestag vorgeschlagen und vom Bundestagspräsidenten für vier Jahre berufen. Grundlage für die Tätigkeit des unabhängigen Sachverständigenrats ist das am 1. August 2007 in Kraft getretene Ethikratgesetz.
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Es ist eine Langzeitstrategie notwendig, die konsequent auf die Überwindung der Krise ausgerichtet ist. Dies ist eine der Kernforderungen in der 161 Seiten starken Stellungnahme „Vulnerabilität und Resilienz in der Krise. Ethische Kriterien für Entscheidungen in einer Pandemie“. Bei deren Vorstellung sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, die Medizinethikerin Alena Buxy, „Maßnahmen gegen eine Pandemie müssen demokratisch legitimiert, ethisch gut begründet und zugleich gesellschaftlich akzeptabel sein“. Denn alle Menschen seien von den negativen Folgen der Pandemiemaßnahmen betroffen und dadurch „verletzlich“. So litten junge Menschen besonders unter den Einschränkungen ihrer Ausbildung und ihres Soziallebens. Je länger die Pandemie dauerte und je länger beispielsweise Schulen von Lockdowns betroffen waren, „desto stärker vulnerabel wurde die junge Generation“, erklärte Buyx mit Blick auf die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen.

Die Folgen der Corona-Maßnahmen seien etwa im Bildungsbereich „nicht genug berücksichtigt und gesehen“ worden. Initiativen und kreative Ideen von Lehrern und Sozialarbeitern zur Unterstützung von Schülern während der Schulschließungen habe man „häufig ausgebremst“. Der Ethikrat rufe daher „nach einer kritischen Aufarbeitung der Krisenbewältigung und besseren Fehlerkulturen“, so Buyx. Zudem kämen Aspekte der Gerechtigkeit ins Spiel. Kriterien für die gerechte Verteilung knapper Impfstoffe und von intensivmedizinischen Gütern seien ebenso wichtig wie der Ausgleich für besondere pandemiebedingte Belastungen. Als weitere Themen nennt das Papier zum einen die Solidarität wohlhabender Länder mit ärmeren. Zum zweiten die Frage, welche Lasten gegenwärtig lebende Menschen zukünftigen Generationen aufbürden dürfen.

Gesundheitsämter müssen kristenfester werden

Die Sprecherin der zuständigen Arbeitsgruppe, Sigrid Graumann, wies darauf hin, dass in einer Krise weltgeschichtlichen Ausmaßes Fehler und Fehlentscheidungen unvermeidlich seien. „Die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie zur Bewältigung zukünftiger Pandemien muss daher auf einer kritischen Analyse systemischer Mängel, dysfunktionaler Organisationsformen und ungeeigneter Verfahren aufbauen“. Dazu gehöre auch, das Potenzial von Maßnahmen, gesellschaftliche Spaltungen zu befördern, zukünftig systematisch in die entsprechenden Entscheidungen mit einzubeziehen. Zudem drängten die Experten auf verbesserte Kommunikations- und Informationsstrategien sowie die Bekämpfung von Falschinformationen. Nötig sei auch eine solide Datenerfassung. Weiterhin müssten Institutionen wie Gesundheitsämter, Pflegeheime oder Einrichtungen im Bildungsbereich krisenfester werden. Eine solche Widerstandskraft habe „in etlichen Bereichen gefehlt“, sagte Ethikratsmitglied Andreas Lob-Hüdepohl.