home Politik Italien: Mario Draghi will nun doch Regierungschef bleiben

Italien: Mario Draghi will nun doch Regierungschef bleiben

Fünf Tage nach seinem gescheiterten Rücktrittsangebot ist Italiens Ministerpräsident Mario Draghi offenbar doch bereit, weit im Amt zu bleiben. In einer Rede im Senat forderte der parteilose Ökonom und ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) die zuletzt zerstrittenen Regierungsparteien aber dazu auf, sich geschlossen hinter ihn und die Exekutive zu stellen.

„Pakt der Vertrauens“ durch „Cinque Stelle“ gebrochen

INFO-BOX:
Ministerpräsidenten
Italiens seit 1980
1980-1981: Arnaldo Forlani
1981-1982: G. Spadolini
1982-1983: A. Fanfani
1983-1987: Bettino Craxi
1987: Amintore Fanfani
1987-1988: Giovanni Goria
1988-1989: Ciriaco De Mita
1989-1992: Giulio Andreotti
1992-1993: Giuliano Amato
1993-1994: Carlo A. Ciampi
1994-1995: S. Berlusconi
1995-1996: Lamberto Dini
1996-1998: Romano Prodi
1998-2000: M. D'Alema
2000-2001: Giuliano Amato
2001-2006: S. Berlusconi
2006-2008: Romano Prodi
2008-2011: S. Berlusconi
2011-2013: Mario Monti
2013-2014: Enrico Letta
2014-2016: Matteo Renzi
2016-2018: Paolo Gentiloni
2018-2021: Giuseppe Conte
seit 2021: Mario Draghi
mehr dazu
Für Mittwochabend ist eine Vertrauensabstimmung in der kleineren der beiden Parlamentskammern anberaumt. Gewinnt Draghi diese, muss er sich außerdem das Vertrauen in der größeren Abgeordnetenkammer aussprechen lassen. Die Sitzung dort ist für Donnerstag angesetzt. In seiner Rede erklärte der 74-Jährige, der einzige Ausweg aus der Regierungskrise sei es, einen neuen Pakt zwischen den Parteien zu schließen. „Sind Sie bereit, diesen Pakt herzustellen?“, fragte er ins Plenum. Ausgelöst hatte die Regierungskrise die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung, die eine Vertrauensabstimmung im Senat über ein Gesetz für Abhilfe bei steigenden Energiekosten boykottiert hatte. Daraufhin hatte Draghi seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella eingereicht, der diesen jedoch ablehnte. Stattdessen forderte er Draghi auf, sich im Parlament um eine neue Regierungsmehrheit zu bemühen.

Der Akt der „Cinque Stelle“ sei eine klare politische Geste, erklärte der Ministerpräsident am Mittwoch. Seine Regierung hatte zwar auch ohne die Sterne-Stimmen die nötige Mehrheit erhalten, aber laut Draghi war der „Pakt des Vertrauens“ gebrochen. Die einstige Protestpartei ringt nun seit rund einer Woche in Tag-und-Nacht-Sitzungen um eine Linie pro oder contra Draghi. Fünf-Sterne-Chef Giuseppe Conte ist einer der Hardliner. Kritiker werfen ihm vor, es gehe ihm in erster Linie um politische Profilierung seiner kriselnden Partei. Conte selbst sagte dazu: „Wenn die Maßnahmen Unternehmen und Bürgern nicht ausreichen, dann reichen sie auch nicht der Fünf-Sterne-Bewegung“. Es liege jetzt nicht an den Fünf Sternen, „den Bruch des Vertrauenspakts wiedergutzumachen, von dem Präsident Draghi gesprochen hat“. Anders ausgedrückt: Der Ministerpräsident müsse auf seine Partei zukommen und nicht umgekehrt.

An Rückhalt aus Politik und Bevölkerung mangelt es Draghi indes nicht. Mehr als 1.000 Bürgermeister von links und rechts unterzeichneten einen Appell, der den Ministerpräsidenten zur Fortsetzung seiner Arbeit auffordert. In Rom, Mailand, Turin und Florenz gingen die Menschen auf die Straße, um für Draghi zu demonstrieren. Auch Dutzende Organisationen der Zivilgesellschaft – von Umweltverbänden über katholische Jugendorganisationen bis zur Anti-Mafia-Initiative Libera – forderten, Draghi solle an der Spitze der Regierung weitermachen.

Draghi genießt großen Rückhalt in der Bevölkerung

In aktuellen Umfragen bekommt der Regierungschef 65 Prozent Zustimmung. Dies sei bemerkenswert, erklärte Politikprofessor Lorenzo Castellani von der in Rom ansässigen Privatuniversität für Sozialwissenschaften Luiss: „Draghi wird im Moment vom aktivsten und produktivsten Teil des Landes als beste Lösung wahrgenommen. Er wird außerdem als eine Art Gegenmittel gegen die Parteien gesehen“. Die Bekenntnisse und Demonstrationen pro Draghi seien daher auch „ein Symptom des Misstrauens gegen die Parteien.“

Draghi selbst sagte, er sei persönlich berührt von den spontanen Appellen gewöhnlicher Italiener in den vergangenen Tagen, die ihn angefleht hätten, im Amt zu bleiben. Insbesondere erwähnte er aber auch die entsprechenden Petitionen italienischer Bürgermeister sowie von medizinischen Angestellten, den „Helden der Pandemie“. Diese vielstimmige Forderung nach Stabilität verlange „von uns allen, zu entscheiden, ob es möglich ist, die Bedingungen wiederherzustellen, unter denen die Regierung wirklich regieren kann“.