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Corona-Pandemie: Staat und Krankenkassen verschwenden Milliarden bei PCR-Tests

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie 2020 haben der deutsche Staat und die Krankenkassen sechs Milliarden Euro für PCR-Tests ausgegeben. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR hätte ein großer Teil davon eingespart werden können. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumte ein, dass die Preise für die PCR-Tests viel zu hoch waren.

KBV orientierte sich an teurem Hepatitis-Test

INFO-BOX:
PCR-Test
Der PCR- oder auch Labortest gilt als das zuverlässigste Verfahren, um das Coronavirus nachzuweisen. Die Trefferquote liegt bei 98 Prozent. Die Abkürzung PCR steht für „Polymerase Chain Reaction“ und ist ein Standardverfahren, durch das man etwa Virusinfektionen oder Erbkrankheiten nachweisen kann. Die Methode wird beispielsweise schon lange genutzt, um Blutspenden auf HIV oder Hepatitis-Viren zu untersuchen.
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Wie aus den Recherchen hervorgeht, habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) den Krankenkassen Ende Januar 20202 vorgeschlagen, die Kosten für einen PCR-Test auf 59 Euro festzulegen. Dabei habe man sich aber am Preis eines seltenen Hepatitis-Tests orientiert und nicht an gängigen Influenza-Tests. Diese seien mit 19,90 Euro in der Vergütung deutlich preiswerter. Wie Insider berichten, habe das Gesundheitsministerium unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Druck gemacht, den hohen Preis von 59 Euro zu akzeptieren und sich zu einigen, damit Patienten mit Corona-Symptomen am Ende die Tests nicht selbst bezahlen müssen.

Auf Anfrage ließ Spahn mitteilen, die Verfügbarkeit von PCR-Tests schnell und verlässlich herzustellen sei „gerade im schweren ersten Jahr ein zentrales Mittel der Pandemie-Bekämpfung“ gewesen. So sei es in Deutschland wie in nur wenigen anderen Ländern innerhalb weniger Monate gelungen, die PCR-Testkapazitäten zu vervielfachen und selbst in Zeiten von sehr hohem Testaufkommen die Wartezeiten auf ein Ergebnis vertretbar kurz zu halten.

Gerechtfertigt war und ist der hohe Preis aber offenbar bis heute nicht. Weder wurden zu Beginn der Corona-Pandemie Marktpreise überprüft noch gab es Kostenkalkulationen oder eine Sachverständigen-Beauftragung. Wie das Rechercheteam herausfand, bezifferten Ärztevertreter damals die Materialkosten für einen PCR-Test mit 22,02 Euro. Mehrere Anbieter verkauften zertifizierte Testkits gar für nur vier bis sieben Euro.

Lobby-Verein verhinderte niedrigere Preise

Die KBV wollte keine Belege für ihre damaligen Berechnungen vorlegen. Es habe „erhebliche Marktengpässe“ zu Beginn der Pandemie gegeben. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) klagten in dieser Zeit jedoch nur 30 von 170 Laboren über Knappheit. Gleichzeitig bauten sie ihre Kapazitäten massiv aus. Auch der Lobby-Verein „Akkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM) hatte wohl erheblichen Einfluss im Spahn-Ministerium. Wie die Recherchen zeigen, wurden Referentenentwürfe so geändert, wie der ALM es in seinen Eingaben vorgeschlagen hatte. Demnach setzte sich die Laborlobby erfolgreich für die Beibehaltung höherer Preise ein und dagegen, dass sich Zahnärzte und Veterinärmediziner an den Tests beteiligen dürfen. Eine Anfrage dazu ließ der ALM unbeantwortet.

Mit den Recherchen von WDR, NDR und „SZ“ konfrontiert, räumte der jetzige Gesundheitsminister Lauterbach ein, dass ihm die Testkosten zu hoch erschienen waren. Daher habe er sie um mehr als die Hälfte abgesenkt. „Trotzdem kommen die Anbieter mit dem Geld aus. Daher können die Kosten also nicht höher sein als das, was jetzt bezahlt wird“, so der 59-jährige Mediziner. Heute erhalten die Labore noch 27,30 Euro für einen PCR-Test von den Kassen und 32,39 Euro vom Bund. Und zwar inklusive Personal-, Transport- und sonstige Kosten.