home Gesundheit, Panorama Nach Fleisch: Edeka und Aldi wollen auch bei Milch mehr auf Tierwohl achten

Nach Fleisch: Edeka und Aldi wollen auch bei Milch mehr auf Tierwohl achten

Immer mehr Handelsketten in Deutschland wollen schrittweise Milch aus wenig tiergerechter Haltung aus ihren Kühlregalen verbannen. Nach Edeka und seiner Billigtochter Netto kündigten am Donnerstag auch die Discounter Aldi Süd und Aldi Nord an, in absehbarer Zeit bei ihren Eigenmarken vollständig auf Milch verzichten zu wollen, bei deren Herstellung nur die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Tierhaltung erfüllt werden. Die Umstellung soll bis zum Jahr 2024 abgeschlossen sein.

Nachfrage nach Tierwohl-Produkten steigt stetig

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Edeka und Netto haben sich sogar zum Ziel gesetzt, diesen Schritt schon in diesem Jahr zu gehen. Weitere Milch- und Molkereiprodukte sollen folgen. „Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten wächst stetig“, sagte Aldi Nord-Managerin Tanja Hacker. Die großen Lebensmittelhändler in Deutschland hatten in den vergangenen Wochen angekündigt, bis zum Jahreswechsel bei Fleisch und Fleischwaren eine vierstufige Haltungskennzeichnung ähnlich wie bei Eiern einzuführen (siehe dazu auch Info-Box).

Mit vier Stufen („Stallhaltung“, „Stallhaltung plus“, „Außenklima“ und „Premium“) sollen die Verbraucher so beim Einkauf auf den ersten Blick erkennen können, wie hoch das Tierwohl-Niveau bei der Haltung der Nutztiere ist. Aldi habe sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2030 die gesamte Eigenmarken-Milch des Discounters aus den Haltungsformen 3 und 4 stamme, erklärte Hacker. Rewe plant dies nach eigenen Angaben bis „spätestens Ende 2025“. Lidl nannte auf Anfrage keinen genauen Zeitraum. Das Unternehmen versprach jedoch, dass „zukünftig“ 65 Prozent des Trinkmilchsortiments aus den beiden besten Haltungsformen stammen solle.

Foodwatch: Keine Heilung des „kranken Systems“

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßte indes die Entwicklung. „Nach dem Frischfleisch klettert der Handel nun auch bei der Milch auf der Haltungsformstufe nach oben. Dass sich etwas bewegt ist gut und wichtig“, so der Präsident der Verbandes, Thomas Schröder. Doch müsse nun auch zügig der Verzicht auf die aus Tierschutzsicht ebenfalls unzureichende Haltungsformstufe 2, die eine saisonale Anbindehaltung der Kühe zulässt, folgen, verlangte der Tierschützer. „Hier könnte der Handel noch stärker, noch konsequenter vorangehen“.

Kritik kam hingegen von der Verbraucherorganisation Foodwatch. „Die Ankündigungen der Handelsketten ändern nicht das Geringste an den eklatanten Missständen beim Tierschutz, die in der deutschen Landwirtschaft nach wie vor herrschen“, erklärten die Verbraucherschützer. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten das „kranke System“ mit dem Griff zur höheren Haltungsstufe nicht heilen. Dringend notwendig sei vielmehr eine „Tiergesundheitsstrategie“ und gesetzliche Verbesserungen des Tierschutzes auf europäischer Ebene.

Nicht automatisch höhere Einnahmen für Milchbauern

Der Deutsche Bauernverband betonte, die Milchviehhalter seien bereit, sich neuen Erwartungen ans Tierwohl zu stellen. Der Vize-Präsident des Verbandes, Karsten Schmal, forderte jedoch, dass bei der Umstellung Rücksicht auf die Möglichkeiten der Bauern genommen wird und auch die höheren Kosten sowie die Umbaukosten für die Ställe gedeckt werden. Den Milchviehhaltern mit ganzjähriger Anbindehaltung mit einer kurzfristigen Auslistung zu drohen, sei nicht der richtige Weg. Damit dränge man vor allem kleinere Familienbetriebe ins Aus.

Zudem beruht das „Milchgeld“, das die Bauern von der Molkerei erhalten, auf einer Mischkalkulation für Frischmilch und solcher, die für die Verarbeitung bestimmt ist, etwa zur Käseherstellung. Derlei Produkte sind aber von Aldis heutiger Ankündigung ausgenommen. Hier kann auch künftig Milch aus den Haltungsformen 1 und 2 eingesetzt werden. Für höhere Einnahmen der Milchwirte dürfte die Umstellung der Supermarktketten damit nicht automatisch sorgen.