Die Kinderbuchautorin und Illustratorin Judith Kerr ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Dies gab ihr britischer Verlag Harper Collins bekannt. Berühmt wurde Kerr vor allem durch ihr halb-autobiografisches Werk „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, in dem sie die Geschichte von Anna erzählt, die auf der Flucht vor den Nazis ein rosa Plüschkaninchen in Berlin zurücklassen muss. Das Buch wurde zum preisgekrönten Bestseller sowie zur Pflichtlektüre in deutschen Schulen.
1. Erster Erfolg mit „The Tiger Who Came To Tea“
2. Als Zeitzeugin zurück in einem fremden Land
Erster Erfolg mit „The Tiger Who Came To Tea“
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl |
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„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ galt in Deutschland lange Zeit als Standardwerk für den Schulunterricht zur Einführung in das Thema Anfänge des Dritten Reises und Flüchtlings-problematik. Der Roman bildet den Auftakt einer Trilogie, in deren Verlauf die Hauptperson Anna zu einer erwachsenen Frau heranwächst. Sie beginnt im Jahr 1933 und endet in den 1950er-Jahren. Die Fortsetzungen erschienen 1975 als „Warten bis der Frieden kommt“ (Bombs on Aunt Dainty / The Other Way Round) und 1978 als „Eine Art Familientreffen“ (A Small Person Far Away). |
Ihr größter Erfolg gelang ihr 1971 mit „When Hitler Stole Pink Rabbit“. Es verkaufte sich bis heute über eine Million Mal und erhielt 1974 den Deutschen Jugendbuchpreis. Eigentlich wollte Kerr ihre eigene Lebensgeschichte gar nicht aufschreiben. Es war letztlich ihr Sohn, der sie nach einem Besuch des Musicals „The Sound of Music“ dazu anregte. Matthew, eines von zwei Kindern, die Kerr mit dem 2006 verstorbenen Drehbuch-Autor Nigel Kneale hatte, sagte anschließend: „Also, jetzt wissen wir endlich genau, wie das war, als Mami ein kleines Mädchen war.“
Daraufhin ging Kerr zu ihrem Verleger, der sich über die Idee begeistert zeigte: „Naja, machen Sie das doch – wir haben gar nichts über diese Zeit“. Der riesige Erfolg ihres Buches, das viele Schüler zum ersten Mal an die Verbrechen des NS-Regimes heranführte, überraschte die Autorin selbst am meisten: „Ich habe es so gut wie möglich gemacht, also so ehrlich wie möglich beschrieben, wie das war. Aber wer in aller Welt würde dies lesen?“
Als Zeitzeugin zurück in einem fremden Land
Auf ihren Erfolg folgten neben zahlreichen Ehrungen auch Einladungen nach Deutschland, um als Zeitzeugin mit jungen Menschen zu sprechen. Aber es war nicht mehr ihre Heimat: „Es ist ein fremdes Land für mich. Also, ich bin hier zuhause. Es ist meine Sprache – und ich liebe sie.“ Bis ins hohe Alter blieb die Künstlerin und Autorin aktiv. Noch 2016 erschien auf Deutsch „Ein Seehund für Herrn Albert“, angelehnt an ein Erlebnis ihres Vaters, der ein verlassenes Robbenbaby aufzog, das er am Strand gefunden hatte. Noch am vergangenen Wochenende hatte Kerr in einem Interview mit dem „Guardian“ nicht etwa von einer Angst vor dem Tod gesprochen, sondern allein von der großen Furcht, irgendwann einmal nicht mehr arbeiten zu können.