Als Reaktion auf das russische Vorgehen gegenüber der Ukraine stoppt die Bundesregierung das Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Er habe das Bundeswirtschaftsministerium gebeten, den bestehenden Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen, gab Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag bekannt. „Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann. Und ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 ja nicht in Betrieb gehen“.
Scholz: Bruch „mit allen völkerrechtlichen Vereinbarungen“
Russlands Präsident Putin hatte am Montagabend die Unabhängigkeit der Separatistengebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Der Kreml-Chef ordnete zudem die Entsendung russischer Soldaten in die Region an. In den vergangenen Wochen hatte Russland nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Scholz warf Putin vor, schwerwiegend gegen das Völkerrecht und das Abkommen von Minsk verstoßen zu haben. Putin breche mit der Charta der Vereinten Nationen und „mit allen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die das Land in den vergangenen 50 Jahren eingegangen ist“. Die Unversehrtheit und Souveränität eines jeden Landes sowie die Unverrückbarkeit von Grenzen müssten geachtet werden. Russland habe für sein Handeln „keinen Rückhalt der Weltgemeinschaft“, so Scholz.
Deutschland bezieht 55 Prozent seines Gases aus Russland
Nord Stream |
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Die Ostsee-Gas-Pipeline Nord Stream beginnt im russischen Wyborg und landet nach 1.224 Kilometer in Lubmin bei Greifswald an. Sie besteht aus vier Strängen, wovon zwei (Nord Stream 1) bereits 2011 fertiggestellt wurden. Die nominelle Transportkapazität aller Stränge zusammen beträgt 110 Mrd. Nm³ Gas pro Jahr. |
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rechnet durch die militärischen Spannungen mit einem weiteren Anstieg der Gaspreise. Dies sei zumindest kurzfristig zu erwarten. „Ich will noch einmal betonen, dass Krieg Preise treibt“, sagte Habeck. Dafür sei alleine Russland verantwortlich. Deutschland müsse bei der Energieversorgung unabhängiger von russischem Gas werden. Dies sei der beste Schutz gegen ein instabiles Marktumfeld. Aktuelle beziehe Deutschland 55 Prozent seines Erdgases aus Russland. „Wir werden darum kämpfen müssen, die Abhängigkeit vom Gas zu reduzieren“, so Habeck.
Pläne für Flüssiggas-Terminals seit Jahren in der Schublade
Ein Ausweg aus diesem Dilemma heißt Liquefied Natural Gas (LNG). Bisher gibt es in Deutschland aber kein einziges Terminal für das Flüssiggas. Ein direkter Import aus Ländern wie Katar oder den USA ist somit nicht möglich. Pläne für Anlagen im niedersächsischen Stade sowie im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel liegen seit Jahren auf dem Tisch. Doch die Politik verließ sich lieber auf den russischen Partner, anstatt eine Infrastruktur für den Import von Flüssiggas aufzubauen, wie es in vielen anderen europäischen Ländern gemacht wurde. Im Angesicht der aktuellen Krise werden die Pläne nun konkreter.
Allerdings wird es mindestens noch ein bis eineinhalb Jahre dauern, bis das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist. „Dann geht es mit dem Bauen los“, sagte Johann Killinger von der Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH). Allein für das Terminal in Stade sind derzeit 800 Millionen Euro veranschlagt. Bis zur Fertigstellung müssen deutsche Energieversorger für die Anlieferung von Flüssiggas Terminals in Zeebrügge (Belgien), Dünkirchen (Frankreich) oder Gate (Niederlande) nutzen. Insgesamt gibt es in der EU 26 LNG-Terminals. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies in der vergangenen Woche darauf, dass die EU im Vorfeld der aktuellen Entwicklungen mit wichtigen LNG-Lieferanten über eine Erhöhung der Gas- und Flüssiggaslieferungen gesprochen habe. „Diese Bemühungen zahlen sich jetzt eindeutig aus“.