Polen verletzt mit einem zentralen Teil seiner Justizreformen EU-Recht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg urteilte am Donnerstag, dass Polen mit der neuen Disziplinarordnung für Richter „gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat“. Unter anderem biete die neu geschaffene Disziplinarkammer „nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“. Die polnischen Behörden müssten nun die notwendigen Schritte einleiten, um die Situation in Ordnung zu bringen, hieß es.
1. Unabhängigkeit der Disziplinarkammer fraglich
2. Tusk: Regierung auf dem Weg zum Polexit
Unabhängigkeit der Disziplinarkammer fraglich
Prawo i Sprawiedliwość (PiS) |
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Die Prawo i Sprawiedliwość ("Recht und Gerechtigkeit") wurde 2001 vom damaligen Justizminister Lech Kaczyński und seinem Zwillingsbruder Jarosław gegründet. Sie gilt als gemäßigt EU-skeptisch und wird als nationalkonser-vativ, christdemokratisch und (rechts-)populistisch charakterisiert. |
Nach Auffassung der EU-Kommission ist die Unabhängigkeit dieser Kammer dadurch fraglich und stellt ein Risiko für die Unabhängigkeit der polnischen Gericht dar. Brüssel hatte daher Klage vor dem EuGH eingereicht. Der EuGH gab der Kommission nun Recht. Die Kammer sei nach Ansicht der Richter „nicht unempfänglich“ für Einflussnahmen durch das polnische Parlament und die Exekutive. Polens Justiz geht indes ihrerseits auf Konfrontationskurs zur EU. Am Mittwoch entschied das polnische Verfassungsgericht, dass die Anordnungen des EuGH gegen Polens Justizreformen nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien. Die Entscheidungen des EuGH zum „System, den Prinzipien und Abläufen“ der polnischen Gerichte stünden „nicht im Einklang“ mit der polnischen Verfassung, erklärte Richter Stanisław Piotrowicz.
Tusk: Regierung auf dem Weg zum Polexit
Kritiker der polnischen Regierung zeigten sich alarmiert. Der neue polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk warf der Regierung vor, „die EU zu verlassen“. Nur die Polen selbst könnten sich dem erfolgreich entgegenstellen, schrieb Tusk auf Twitter. Auch Polens unabhängiger Ombudsmann für Menschenrechte, Adam Bodnar, warnte: „Wir befinden uns im Prozess eines juristischen Polexit, der Schritt für Schritt stattfindet“. EU-Justizkommissar Didier Reynders hatte erst kürzlich eingeräumt, die Lage unterschätzt zu haben: „Anfangs dachte ich, dass die polnische Regierung [nur] einige Richter durch andere ersetzen will. Jetzt jedoch sehe ich, dass der Vorrang des EU-Rechts und damit das Funktionieren der Union bedroht sind“. Justizminister Zbigniew Ziobro begrüßte das Urteil hingegen. Es sei eine Entscheidung „gegen Einmischung, Übermächtigung und juristische Aggression durch Organe der Europäischen Union“, erklärte er.