Mitten in einer politischen Umbruchsituation hat Israels Parlament den früheren Oppositionsführer Jitzchak Herzog zum Staatspräsidenten gewählt. Er folgt damit auf Reuven Rivlin, dessen Amtszeit am 9. Juli endet. In der Knesset erhielt der 60-jährige Herzog 87 Stimmen der 120 Abgeordneten und gewann damit deutlich vor seiner 67 Jahre alten Herausforderin Miriam Peretz. Die Lehrerin und Aktivistin konnte 26 Stimmen auf sich vereinen.
1. Langjähriger Ministerpräsident Netanjahu vor dem Aus
2. Herzog will zerstrittene Gesellschaft befrieden
Langjähriger Ministerpräsident Netanjahu vor dem Aus
Staatspräsidenten Israels seit 1948 |
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1948-1952: Ch. Weizmann 1952-1963: Jizchak Ben Zwi 1963-1973: Salman Schasar 1973-1978: Ephraim Katzir 1978-1983: Jitzchak Nawon 1983-1993: Chaim Herzog 1993-2000: Ezer Weizmann 2000-2007: Mosche Katzav 2007-2014: Schimon Peres 2014-2021: Reuven Rivlin ab 2021: Jitzchak Herzog |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gratulierte Herzog via Twitter zu der Wahl. Er wünschte ihm im Namen Israels viel Erfolg. Der Staatspräsident hat in Israel vor allem eine repräsentative Funktion. Seine wichtigsten Aufgaben sind die Begnadigung von Häftlingen und die Erteilung eines Auftrags zur Regierungsbildung. Er wird alle sieben Jahre in einer geheimen Abstimmung vom Parlament gewählt. Die heutige Wahl fand kurz vor einer erwarteten Ablösung des langjährigen rechtskonservativen Ministerpräsidenten Netanjahu statt. Die schwierigen Verhandlungen zur Regierungsbildung in Israel müssen bis heute kurz vor Mitternacht abgeschlossen sein.
Oppositionsführer Jair Lapid und der nationalistische Hardliner Naftali Bennett wollen eine Koalition schmieden, um Netanjahu aus dem Amt zu drängen. Die sogenannte Koalition des „Wandels“ soll Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum umfassen. Der 71-jährige Netanjahu ist seit 2009 an der Macht und steht seit längerem wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck. Sollte dennoch bis zum Ende der Frist heute Abend keine neue Regierung zustande kommen, dürfte es erneut Neuwahlen geben. Dies wären die fünften Wahlen innerhalb von zwei Jahren.
Herzog will zerstrittene Gesellschaft befrieden
Herzog selbst will seinen Teil zur Befriedung des gespaltenen Landes beitragen. Es sei nun „wirklich entscheidend, die offenen Wunden zu schließen, die sich in unserer Gesellschaft zuletzt geöffnet haben“, so der frisch gewählte Präsident in seiner Dankesrede. „Ich habe die israelische Gesellschaft hoch und runter studiert“ sagte Herzog und bezeichnete diese als „einzigartiges gesellschaftliches Mosaik“. Es werde keinen Stein aus diesem Mosaik geben, den er vergessen werde. Auch im Ausland gilt es für Herzog, das angespannte Verhältnis einiger jüdischer Menschen zum Staat Israel wieder zu beruhigen. Dabei dürfte ihm seine ruhige und manchmal konfliktscheue Art durchaus hilfreich sein. Kritiker sehen darin allerdings auch den Hauptgrund, warum Herzog ein Aufstieg in das Amt des Ministerpräsidenten nie gelungen ist.