home Politik Welthungerhilfe-Index 2021: 811 Millionen Menschen hungern weltweit

Welthungerhilfe-Index 2021: 811 Millionen Menschen hungern weltweit

Kriege, die Klimakrise sowie die Corona-Pandemie führen zu einer wachsenden Zahl hungernder Menschen. Wie aus dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Welthunger-Index 2021 der Welthungerhilfe hervorgeht, waren im vergangenen Jahr 155 Millionen Menschen überwiegend in Konfliktregionen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Das sind fast 20 Millionen Menschen mehr als im Jahr zuvor. Noch-Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach von einem „unglaublichen Skandal“. Hunger sei „Mord, denn wir haben das Wissen und die Technologie, alle Menschen satt zu machen“, betonte Müller.

„Dramatisch vom Kurs Zero Hunger abgekommen“

INFO-BOX:
Welthungerhilfe
Die Deutsche Welthunger-hilfe e.V. ist eine Hilfsorganisation der Entwicklungszusammen-arbeit und der Nothilfe mit Sitz in Bonn. Der Verein wurde 1962 auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke als Deutscher Ausschuss für den Kampf gegen den Hunger gegründet. Seitdem hat er mit rund 3,95 Milliarden Euro mehr als 9.830 Hilfsprojekte in 70 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durch-geführt. Präsidentin ist seit 2018 die Rechts- und Sozialwissenschaftlerin Marlehn Thieme.
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„Wir sind dramatisch vom Kurs Zero Hunger bis 2030 abgekommen, denn der Hunger ist wieder auf dem Vormarsch“, sagte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Aktuell hungerten weltweit rund 811 Millionen Menschen und 41 Millionen stünden kurz vor einer Hungersnot. Besonders dramatisch sei die Lage in Somalia, Jemen, Afghanistan, Madagaskar und dem Südsudan. „Der aktuelle Welthungerindex zeigt, dass 47 Länder noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau bis 2030 erreichen werden“. Die Fortschritte der letzten Jahre würden durch ein verheerendes Zusammenspiel von Klimakrise, Covid-19-Pandemie und immer schwereren und langwierigeren Konflikten befeuert. Besonders gewaltsame Konflikte seien einer der größten Hungertreiber. „Wo Krieg herrscht, werden Ernten, Felder sowie Infrastruktur zerstört und fliehen Menschen aus ihren Dörfern“, so Mogge. Die Politik müsse daher die mit Nahrungsknappheit zusammenhängenden Krisen bekämpfen.

Die Welthungerhilfe fordere daher politische Initiativen, um die Konflikte weltweit einzudämmen sowie finanzielle Anstrengungen, um den aktuellen Hungersnöten zu begegnen. Zudem seien verbindliche Vereinbarungen auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz in Glasgow zur Bekämpfung des Klimawandels nötig. „Die Folgen der Corona-Pandemie und viele Konflikte haben in den letzten Jahren zu einer negativen Trendwende geführt: Millionen Menschen stehen ohne Arbeit auf der Straße, Versorgungsketten sind unterbrochen, Lebensmittelpreise steigen“, ergänzte Entwicklungsminister Müller gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“. 130 Millionen Menschen seien so in Armut und Hunger zurückgefallen. Man müsse „Hunger- und Armutsbekämpfung endlich als vorausschauende Friedenspolitik verstehen – und ganz oben auf die Agenda der Weltpolitik setzen“, forderte der 66-Jährige im Angesicht des Welternährungstages am 16. Oktober. Er verwies auf 15.000 Kinder, die jeden Tag verhungerten.

Müller: Zusätzlich 40 Milliarden Euro jährlich gegen Hunger

Dabei sei eine Welt ohne Hunger grundsätzlich möglich. „Mit rund 40 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für eine nachhaltige Ernährungs- und Landwirtschaft durch die Industrieländer, Privatwirtschaft und Entwicklungsländer kann der Hunger bis 2030 besiegt werden“. Für die Industrienationen wäre diese Summe locker zu stemmen. Allein die mehrmonatige Steuersenkung im Rahmen des Corona-Hilfspakets im vergangenen Jahr kostete den Staat 20 Milliarden Euro. Diese sollte die Wirtschaft ankurbeln, verpuffte aber weitgehend. Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) konnte die Maßnahme „keinen nennenswerten Beitrag im Kampf mit den negativen Effekten der Corona-Pandemie“ leisten. Im Kampf gegen den Hunger wäre dieses Geld also deutlich besser eingesetzt gewesen.