Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sowie die deutsche Chemieindustrie warnen angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und der Sanktionen des Westens vor stark steigenden Gaspreisen. Gerade für energieintensive Branchen könnte die Gasknappheit, die mit steigenden Preisen einhergeht, problematisch werden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, gegenüber der Deutschen Presseagentur.
Energieintensive Industrie leidet besonders
„Den Chemieunternehmen drohen in diesem Fall explodierende Preise für Erdgas bei einem ohnehin historisch extrem hohen Preisniveau“. Die Branche leidet durch ihren hohen Energiebedarf wie kaum eine andere unter den ohnehin hohen Rohstoffpreisen. Das IW erklärte, selbst wenn Deutschland kurzfristig einen Stopp der Gaslieferungen aus Russland überstehen könnte, würde die Preise für Gas in die Höhe schnellen. In der Folge drohe eine Inflationsrate von mehr als sechs Prozent in der Bundesrepublik. Das Wirtschaftswachstum könnte dadurch 2023 geringer ausfallen und die Verbraucher sowie die Unternehmen „hätten also noch weniger im Portemonnaie als ohnehin schon“.
INES: Langer Lieferstopp wäre „beispielloser Stresstest“
Deutschland bezieht mehr als die Hälfte seiner Erdgasimporte aus Russland. Experten gehen davon aus, dass im Zuge der Eskalation in der Ukraine der russische Gasfluss vollständig zum Erliegen kommen könnte. Entweder, weil Russland den Gashahn zudreht oder weil der Westen den Bezug als Teil von Sanktionsmaßnahmen boykottiert. Letzteres würde der russischen Konjunktur besonders schaden.
Gleichzeitig betonte der Branchenverband Zukunft Gas, dass die Versorgung hierzulande gesichert sei. „Wir beobachten sehr genau die aktuelle Versorgungslage und können zumindest kurzfristig sagen: Für Deutschland ist die Gasversorgung gesichert“, so Verbandsvorstand Timm Kehler. Die Gasspeicher-Vereinigung INES bekräftigte dies und gab bekannt, dass die Gasspeicher in Deutschland zuletzt zu gut 30 Prozent gefüllt gewesen seien. „Die Füllstände sind also weiterhin niedrig, aber nicht mehr historisch tief“. Allerdings befürchte man bei einem längeren russischen Lieferstopp einen „beispiellosen Stresstest“ für die Versorgung der EU, erklärte Verbandsgeschäftsführer Sebastian Bleschke.
IW: Deutsche Wirtschaft vor einem Scheideweg
IW-Studie |
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„Wir untersuchen hier nur die möglichen Folgen eines höheren Gaspreises. Der Konflikt bringt schwindendes Vertrauen von Investoren, möglicherweise Handelssanktionen oder Produktionsausfälle mit sich“, erläuterte Studienautorin Galina Kolev. Co-Autor Thomas Obst ergänzte: „Die wirtschaftlichen Folgen eines militärischen Konflikts sind kaum abzuschätzen. Die bedeutende Rolle von Energiesicherheit hin zur Klimaneutralität für die deutsche Wirtschaft steht vor einem Scheideweg“.