Die Europäische Zentralbank (EZB) kämpft mit einer weiteren großen Zinserhöhung gegen die von Rekordinflation im Euroraum an. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag in Frankfurt (Main), den Leitzins um 0,75 Punkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Dies ist nach September die zweite große Zinserhöhung in Folge und insgesamt bereits der dritte Straffungsschritt.
Inflation im Euro-Raum so hoch wie nie
Leitzins |
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Der Leitzins ist das zentrale Element zur Steuerung der Geldpolitik und wird von einer Zentralbank im Rahmen ihrer Geldpolitik einseitig festgelegt. Er gibt an, zu welchem Zinssatz die Zentralbank mit ange-schlossenen Banken Geschäfte abschließt. Der EZB-Leitzins erreichte sein bisheriges Maximum mit 4,75 Prozent im Oktober 2000, seit März 2016 stand er bei 0,00 Prozent. Ab Juli 2022 erfolgte wieder eine schrittweise Anhebung auf aktuell 3,00 Prozent. |
Mit der erneuten Zinserhöhung reagiert die EZB auf die zuletzt immer weiter gestiegene Inflation im Euro-Raum. Diese hatte zuletzt im September, angetrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, 9,9 Prozent erreicht. Das war das höchste Niveau seit Gründung der Währungsunion. „Die Inflation ist nach wie vor deutlich zu hoch und wird für längere Zeit über dem Zielwert bleiben“, so die Notenbanker.
Die Euro-Wächter treibt unter anderem die Sorge um, dass sich die Rekordinflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Dann würde es für die EZB noch schwieriger, die hohe Teuerung wieder einzudämmen. Zugleich könnte ein zu schnelles Ende der jahrelangen ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur auszubremsen, die ohnehin unter Lieferengpässen und den Folgen des Ukraine-Krieges etwa auf dem Energiemarkt leidet. Die Währungshüter hatten sich im Juli von ihrer jahrelangen Nullzinspolitik verabschiedet und die Zinsen erstmals seit 2011 von 0,00 auf 0,50 Prozentpunkte erhöht.
Weitere Leitzinsanhebung im Dezember erwartet
Die wirtschaftliche Aktivität habe sich im dritten Quartal wahrscheinlich deutlich verlangsamt, erklärte Lagarde auf der Pressekonferenz. Die EZB rechne damit, dass sich die Wirtschaft der 19 Länder der Eurozone bis Anfang nächsten Jahres weiter abschwächen werde. Aus den jüngste Konjunkturdaten geht hervor, dass die Eurozone auch wegen der Schwäche ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland auf eine Rezession zusteuert. So fiel der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft im Oktober und liegt nun deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern.
Ökonomen begrüßten die jüngste Zinserhöhung: „Dieser zweite große Zinsschritt in Folge war zwangsläufig“, sagte Friedrich Heinemann vom Forschungsinstitut ZEW. Die EZB habe im Vergleich zur US-Notenbank Fed den rechtzeitigen Start bei der Zinswende verpasst. „Daher muss sie angesichts der Rekordinflation jetzt besonders schnell aus dem Terrain unangemessen niedriger Leitzinsen heraus“. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, gab zu bedenken, dass es nun von entscheidender Bedeutung sei, wie es im kommenden Jahr nach einer erwarteten weiteren Zinsanhebung im Dezember weitergehe.